Text der Woche 08.01. - 14.01.2024


Picknick im Felde                                                                                                                                                                                  

Personen:

Zapo ein Soldat
Herr Tepan sein Vater
Frau Tepan seine Mutter
Zepo ein feindlicher Soldat


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ZAPO bekommt auf dem Schlachtfeld, wo er einen von ihm mit Stacheldraht abgesteckten Bereich bewacht, unerwartet Besuch von seinen Eltern. Sie kommen mit Frühstückskörben, wie zu einem Picknick. Sie unterhalten sich eine Weile und hören Musik. Dann tritt plötzlich Zepo auf, ein feindlicher Soldat ...

ZAPO: Hände hoch! Zepo hebt die Hände noch höher und sieht noch verängstigter aus. Zapo weiß nicht, was er tun sol Plötzlich geht er rasch auf Zepo zu, tippt ihm sachte auf die Schulter und sagt:

ZAPO: Du bist. Zum Vater, befriedigt: So! Einen Gefangenen habe ich gemacht.

TEPAN: Schön. Und was tust du jetzt mit ihm?

ZAPO: Ich weiß nicht, aber vielleicht befördert man mich dafür zum Korporal.

TEPAN: Vorläufig fessele ihn!

ZAPO: Fesseln? Warum?

TEPAN: Einen Gefangenen fesselt man.

ZAPO: Wie macht man das?

TEPAN:  Binde ihm die Hände zusammen!

FRAU  TEPAN: Bestimmt. Du musst ihm die Hände fesseln. Das habe ich immer so gesehen.

ZAPO: Gut. Zum Gefangenen: Bitte die Hände zusammenlegen!

ZEPO: Tun Sie mir nicht allzu weh!

ZAPO:  Nein.

ZEPO: Au! Sie tun mir weh!

TEPAN: Aber, aber! Du darfst deinen Gefangenen nicht misshandeln.

FRAU TEPAN: Ist das meine Erziehung? Wie oft habe ich dir gesagt, dass man seinen Nächsten zuvorkommend behandeln muss!

ZAPO: Ich hab's nicht mit Willen getan. Zu Zepo: Und so? Tut's so auch weh?

ZEPO: Nein, so nicht.

TEPAN: Sagen Sie es ganz offen, vertrauensvoll, unseretwegen brauchen Sie sich nicht zu genieren.

ZEPO: So geht's.

TEPAN: Und jetzt die Füße.

ZAPO: Die Füße auch? Man wird ja nie fertig.

TEPAN: Hat man dir denn die Vorschriften nicht beigebracht?

ZAPO: Doch.

TEPAN: Na also.

ZAPO überaus höflich zum Gefangenen: Würden Sie die Freundlichkeit haben, sich bitte auf die Erde zu setzen?

ZEPO: Ja, aber tun Sie mir nicht weh!

FRAU  TEPAN: Siehst du? Du wirst ihn noch gegen dich aufbringen!

ZAPO: Nicht doch, nicht doch. Ich tu Ihnen doch nicht weh?

ZEPO: Nein, gar nicht.

ZAPO plötzlich: Papa, wie wär's, wenn du uns fotografieren würdest? Den Gefangenen auf der Erde und mich mit dem Fuß auf seinem Bauch?

TEPAN: Ja, das würde sich gut machen.

ZEPO: Ach nein, das nicht.

FRAU  TEPAN: Sagen Sie "ja", seien Sie kein Dickschädel!

ZEPO: Nein. Ich habe "nein" gesagt, und es bleibt dabei.

FRAU  TEPAN: Nur so ein ganz kleines Bildchen! Was kann Ihnen das ausmachen? Und wir könnten es dann im Speisezimmer aufhängen neben die Rettungsmedaille, die mein Mann vor 13 Jahren bekommen hat.

ZEPO:  Nein, Sie können mich nicht überreden.

ZAPO: Aber warum wollen Sie nicht?

ZEPO: Weil ich verlobt bin. Und wenn meine Braut eines Tages das Bild sieht, dann wird sie sagen, ich verstehe mich nicht auf den Krieg.

ZAPO: Aber nein, Sie brauchen ihr nur zu sagen, Sie sind es gar nicht, es ist ein Panther.

FRAU TEPAN: Nun? Sagen Sie schon "ja"!

ZEPO: Meinetwegen. Aber nur, um Ihnen eine Freude zu machen.

ZAPO: Legen Sie sich ganz lang! Zepo legt sich lang. Zapo stellt ihn den Fuß auf den Bauch und ergreift mit martialischer Miene sein Gewehr.

FRAU TEPAN: Brust mehr raus!

ZAPO: So?

FRAU TEPAN: Ja, so. Und nicht atmen.

TEPAN: Sieh aus wie ein Held!

ZAPO: Wie macht man das, auszusehen wie ein Held?

TEPAN: Ganz einfach: Sieh aus wie ein Schlächter, wenn er seine Weibergeschichten erzählt!

ZAPO: So?

TEPAN: Ja, so.

FRAU TEPAN: Und vor allem Brust heraus und nicht geatmet!

ZEPO: Sind Sie bald fertig?

TEPAN: Ein bißchen Geduld noch. Eins ... zwei ... drei.

ZAPO:  Hoffentlich bin ich gut.

FRAU TEPAN: Sicher. Du sahst sehr kriegerisch aus.

TEPAN:  Du warst ganz richtig.

FRAU TEPAN zu Tepan: Ich hätte Lust, mich mit dir fotografieren zu lassen.

TEPAN: Eine gute Idee.

ZAPO: Schön. Wenn ihr wollt, knipse ich euch.

FRAU  TEPAN: Gib mir deinen Helm, damit ich aussehe wie ein Soldat!

ZEPO: Ich will nicht mehr fotografiert werden. Einmal ist schon zuviel.

ZAPO: Seien Sie doch nicht so! Was schadet es Ihnen?

ZEPO: Es ist mein letztes Wort.

TEPAN zu seiner Frau: Lass nur, lass, Gefangene sind immer sehr empfindlich. Wenn wir weitermachen, wird er sich ärgern und uns die Freude verderben.

ZAPO: Schön. Was machen wir dann mit ihm?

FRAU TEPAN: Wir könnten ihn zum Essen einladen. Was meinst du?

TEPAN: Ich habe nichts dagegen.

ZAPO zu Zepo: Wie wär's, wenn Sie mit uns essen?

ZEPO: Ooch ...

TEPAN: Wir haben einen guten Wein mitgebracht.

ZEPO: Na, dann ja.

FRAU TEPAN: Tun Sie, als ob Sie zuhause wären. Greifen Sie zu!

ZEPO: Mach ich.

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(aus: Fernando Arrabal: Picknick im Felde)


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